Der Berlinale-Bär brummt wieder

Ein Rückblick auf das beste Filmfestival der Welt

Blick aus dem Berlinale Palast auf den Roten Teppich

Blick aus dem Berlinale Palast auf den Roten Teppich.
(Photo: Roger Weil – Lizenz: CC BY-SA 4.0)

„Endlich wieder Berlinale“, steht in vielen Gesichtern der Festival-Besucher*innen geschrieben – so meine ich es jedenfalls wahrzunehmen. Das war ja auch in den zwei Corona-Jahren nicht viel mehr als nichts mit der Berlinale. Wobei die Sommerausgabe 2021 in den vielen Berliner Open-Air-Kinos noch ganz nett war, während die 2022er Masken- und Abstand-Berlinale keine rechte Filmfestival-Stimmung aufkommen ließ.


Erste normale Berlinale für Chatrian und Rissenbeek

Jetzt also nach drei Jahren wieder eine richtige Berlinale. Für das Leitungsduo Carlo Chatrian und Mariëtte Rissenbeek, die sich 2020 mit einem trostlosen Potsdamer Platz, mit der Vergangenheit von Alfred Bauer und Jeremy Irons, mit einem indisponierten Eröffnungsmoderator und mit diesem neuen Virus herumärgern mussten, ist es eigentlich die erste normale Berlinale.

Einige Schwierigkeiten gibt es aber für Chatrian und Rissenbeek auch diesmal. Der Potsdamer Platz ist trostloser als je zuvor, nach IMAX und CineStar im Sony Center ist jetzt auch das CinemaxX am Potsdamer Platz nicht mehr als Berlinale-Spielstätte zu gebrauchen (wg. Reduzierung der Sitzplätze), der Friedrichstadtpalast steht wegen Umbauarbeiten nicht mehr zur Verfügung, mit L’Oréal Paris ist ein weiterer langjähriger Hauptsponsor abgesprungen, die drei wichtigen U-Bahnlinien U1, U2 und U3 sind gesperrt und Corona ist auch noch nicht verschwunden.

Aber das ist sekundär. Der Berlinale-Bär brummt wieder. Der künstlerische Leiter Carlo Chatrian hat einen mit 19 Filmen prall gefüllten Wettbewerb zusammengestellt. Neben Regie-altmeister*innen wie Zhang Lu, Margarethe von Trotta, Philippe Garrel, Ivan Sen, Angela Schanelec, Christian Petzold und Rolf de Heer tummeln sich dort noch jede Menge Newcomer*innen, die es wert sind entdeckt zu werden. Auch der zweite Wettbewerb Encounters, der von Chatrian 2020 eingeführt wurde und eher die etwas sperrigeren und experimentelleren Filme zeigen soll, ist diesmal gar nicht so sperrig. Encounters zeigt mit „Here“ von Bas Devos, mit „Im toten Winkel“ von Ayşe Polat, mit „mul-an-e-seo“ von Hong Sangsoo, mit „Mummola“ von von Tia Kouvo, mit „The Adults“ von Dustin Guy Defa und mit „Xue Yun“ von Wu Lang durchaus ansprechende Erzählwerke.


Wunderkerze der Berlinale

Und dann natürlich die Panorama-Sektion. Die Wunderkerze der Berlinale leuchtet und funkelt wie eh und jeh. Was gibt es hier für Film-Schätze zu entdecken:

  • „Al Murhaqoon“ von Amr Gamal
  • „Das Lehrerzimmer“ von İlker Çatak
  • „Drifter“ von Hannes Hirsch
  • „El castillo“ von Martín Benchimol
  • „Femme“ von Sam H. Freeman, Ng Choon Ping
  • „Ghaath“ von Chhatrapal Ninawe
  • „Green Night“ von Han Shuai
  • „Inside“ von Vasilis Katsoupis
  • „Motståndaren“ von Milad Alami
  • „Passages“ von Ira Sachs
  • „Perpetrator“ von Jennifer Reeder
  • „Propriedade“ von Daniel Bandeira
  • „Reality“ von Tina Satter
  • „Sages-femmes“ von Léa Fehner
  • „Silver Haze“ von Sacha Polak
  • „Sira“ von Apolline Traoré
  • „Sisi & Ich“ von Frauke Finsterwalder
  • „Stille Liv“ von Malene Choi


Wunde im Herzen der Berlinale

Der Ausfall des Friedrichstadtpalast erweist sich übrigens als ein Segen für die Berlinale. Die Verti Music Hall in Friedrichshain ist mehr als ein guter Ersatz – mit ihr kommt die Berlinale in den Osten der Stadt und in ihr sitzt man, wenn auch auch nicht nicht in Kinosesseln so doch bequem, und bekommt dabei keine Krämpfe in die Beine so wie es bei den beengten Sitzverhältnissen im Friedrichstadtpalast der Fall war. In der Verti Music Hall kann man die Filme des Wettbewerbs jeweils am Folgetag sehen und ergattert hierfür mit leichter Hand die Eintrittskarten – einfach weil es für diese große Spielstätte genügend Tickets gibt. Es ist zu hoffen, dass die Berlinale auch nach der Renovierung des Friedrichstadtpalastes bei der Verti Music Hall bleibt.

Dennoch schwärt weiter die Wunde im Herzen der Berlinale. Die Berlinale hat kein Zentrum mehr – der Potsdamer Platz zeigt sich weiterhin als eine fehlgeplante städtische Ruinenlandschaft. Die großen Multiplex-Kinos sind verschwunden (das CinemaxX ist zwar noch da, hat aber nur noch kleine Säle, die für normale Berlinale-Vorführungen nicht zu gebrauchen sind), das Einkaufszentrum Potsdamer Platz Arkaden nennt sich jetzt The Playce und hat nur noch wenige Einkaufsläden dafür aber eine große zweistöckige Food Lounge, wie die unübersichtlichen, hartbestuhlten, zugigen und lärmdurchfluteten Versorgungsstationen im Marketingsprech heißen. Und Berlinale-Ticketcounter gibt es in diesem neuen Shopping- und Foodcenter auch nicht mehr. Für die Berlinale verbleibt am Potsdamer Platz nur noch der Berlinale Palast und das kleine Kino Arsenal. Die Festivalbesucher*innen müssen nun in ganz Berlin rumfahren, um ihre Filme zu sehen, was die Planungen erschwert, weil die Fahrzeiten zu den verstreuten Kinos immer miteingerechnet werden müssen.

Besonders bitter ist, dass es für den radioeins-Kinoking Knut Elstermann keinen Raum mehr am Potsdamer Platz gibt. Elstermann muss seinen täglichen Berlinale Talk aus einem Bus heraus senden – aus einem Bus! – und somit natürlich ohne Zuschauer vor Ort. Der Berlinale Talk von Knut Elstermann, der fehlt wirklich.


19 aus 300 Filmen

Schauen wir mal, welche Filme ich schauen konnte und was es darüber zu sagen gibt:

„Disco Boy“ von Giacomo Abbruzzese
Der Wettbewerbs-Beitrag aus Italien handelt von einem Mitglied der französischen Fremdenlegion (gespielt von Franz Rogowski), der nach einem traumatischen Einsatz in Mali in ein Dorf im Nigerdelta flieht, wo er sich mit einem jungen Mann anfreundet, der von einer Disco besessen ist. Der Film ist eine magische Erzählung über Krieg und Anderssein, die einen sinnlichen, intensiven Blick auf die Migration wirft. Die Kamerafrau Hélène Louvart erhielt für ihre Arbeit an dem Film den „Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Leistung“.
Meine Bewertung: Mangelhaft

„El castillo“ von Martín Benchimol
Dieser argentinische Film aus der Sektion Panorama handelt von der Hausangestellten Justina und ihrer Tochter Alexia. Justina hat von ihrer verstorbenen Chefin ein großes, altes Anwesen mit viehwirtschaftlichem Betrieb (el castillo) geerbt, das allerdings ziemlich verfallen ist. Zunächst wohnt Justina dort mit ihrer Tochter Alexia, einer Automechanikerin, die vorher in Buenos Aires gelebt hat. Als das Gebäude zunehmend unbewohnbar wird und die Tiere verkauft werden, möchte Alexia zurück in die Stadt. Der Film zeigt die letzten gemeinsam verbrachten Monate von Mutter und Tochter in einer Art bittersüßem Märchen mit dem Versprechen einer Rettung. Der Film ist eine Art von Doku-Fiction: Justina und Alexia werden nicht von Schauspielerinnen dargestellt, sondern zeigen sich selbst.
Meine Bewertung: Befriedigend

„Al Murhaqoon“ von Amr Gamal
Auch dieser Film lief in der Panorama-Sektion. Er beruht auf einer wahren Geschichte und handelt von einer jungen Frau, die nach einer Vergewaltigung schwanger wird und eine Abtreibung sucht, was im Jemen illegal und tabuisiert ist. Der Film zeigt die sozialen, religiösen und rechtlichen Herausforderungen, denen die Frau und ihre Familie gegenüberstehen. Erstmals wurde mit „Al Murhaqoon“ ein Film aus dem Jemen auf der Berlinale gezeigt. Die Jury von Amnesty International zeichnete dieses Werk mit ihrem Filmpreis aus.
Meine Bewertung: Sehr gut

„Past Lives“ von Celine Song
Dieser Debütfilm der korea-amerikanischen Regisseurin Celine Song lief im Wettbewerb der Berlinale, obwohl er bereits zuvor seine Premiere auf dem Sundance Festival in den USA gefeiert hatte (und dort den Großen Preis der Jury gewonnen hatte). „Past Lives“ handelt von einer Frau, die aus Südkorea stammt und über mehrere Jahrzehnte und Kontinente hinweg zwischen ihrer platonischen Jugendliebe und sich selbst hin- und hergerissen ist. Der Film basiert auf der eigenen Lebensgeschichte von Celine Song und nimmt Bezug auf eine koreanische Vorstellung von Seelenverwandtschaft, die sich über mehrere Leben erstreckt. Der Film ist ein geerdetes und philosophisches Drama, das die Frage stellt, ob man ein anderes Leben geführt hätte, wenn man sich an einem bestimmten Punkt anders entschieden hätte.
Meine Bewertung: Sehr gut

„Inside“ von Vasilis Katsoupis
Dieses Werk des griechischen Regisseurs Vasilis Katsoupis wurde in Köln gedreht und lief als Weltpremiere in der Sektion Panorama. Der Film handelt von einem professionellen Kunstdieb namens Nemo (gespielt von Willem Dafoe), der nach einem missglückten Raubüberfall in einem verlassenen Gebäude High-End-Sicherheitssystem des Gebäudes festgesetzt wird. Der Kunstdieb Nemo droht nun zu verdursten, zu verhungern und wahnsinnig zu werden. „Inside“ ist ein spannendes Kammerspiel, das die Grenzen zwischen Realität und Illusion verwischt.
Meine Bewertung: Gut

„Manodrome“ von John Trengove
Dieser Wettbewerbs-Film aus den USA und Großbritannien handelt von einem Uber-Fahrer namens Ralph (gespielt von Jesse Eisenberg). Ralph wird von einem Freund zu einer extremen Männer-Selbsthilfegruppe eingeladen, die von dem charismatischen Dad Dan (gespielt von Adrien Brody) geleitet wird. Dadurch gerät Ralphie in einen Strudel aus Gewalt, Sex und Drogen, der ihn immer mehr von seiner Familie und der Realität entfernt. Der Film ist eine düstere Satire über toxische Männlichkeit.
Meine Bewertung: Ausreichend

„Sisi & Ich“ von Frauke Finsterwalder
Der Film erzählt die Geschichte der Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn, bekannt als Sisi (gespielt von Susanne Wolff). Die Geschichte wird aus der Perspektive der ungarischen Hofdame Irma Sztáray (gespielt von Sandra Hüller) erzählt, die Sisi viele Jahre auf ihren Reisen durch Europa begleitet. Der Film ist eine ironische und humorvolle Auseinandersetzung mit dem Mythos der schönen und unglücklichen Sisi, die sich nach Freiheit und Liebe sehnt, aber auch eine egozentrische und manipulative Frau ist. Das Drehbuch zum Film schrieb Frauke Finsterwalder gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Christian Kracht.
Meine Bewertung: Sehr gut

„Xue yun“ von Wu Lang
Dieser chinesische Film aus der Sektion Encounters begleitet den Haftentlassenen Han Jiangyu auf seiner Rückkehr zu seiner Heimatinsel Hainan, die sich in den zehn Jahren seiner Haft radikal verändert hat. Hainan ist zum Aushängeschild für lukrativen Wohnungsbau geworden – und damit auch ein Paradies für Abzocke und Betrug. Han Jiangyu trifft auf seinen Jugendfreund Chen Kai, dessen Geschäfte florieren, und seine frühere Liebe Su Hong. Han Jiangyu nähert sich Su Hong an und verbringt den Alltag mit ihr und ihrer Tochter Yao. Die Jury von Encounters zeichnete den leisen und poetischen Film „Xue yun“ mit dem Preis für die beste Regie aus.
Meine Bewertung: Sehr gut

„20.000 especies de abajas“ von Estibaliz Urresola Solaguren
Dieser Wettbewerbs-Beitrag aus dem spanischen Baskenland erzählt die Geschichte eines transsexuellen Kindes, dessen Identität als Mädchen von ihrem familiären Umfeld nicht akzeptiert wird. Die achtjährige Darstellerin Sofia Otero bewegte bei der Premiere des Films im Berlinale Palast die Herzen des Publikums und wurde von der Jury mit dem „Silbernen Bären für die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle“ bedacht.
Meine Bewertung: Gut

„Kill Boksoon“ von Byun Sung-hyun
Der südkoreanischer Actionfilm handelt von einer Auftragskillerin namens Boksoon, die gleichzeitig auch alleinerziehende Mutter einer Tochter ist. Als Boksoon einen Auftrag vermasselt, wird sie von ihrer Firma zum Abschuss freigegeben und muss sich gegen ihre ehemaligen Kollegen wehren. Dabei erfährt sie, dass ihr Ziel der Mann war, der sie vor Jahren vergewaltigt und schwanger gemacht hat. Bookson beschließt, ihren Vergewaltiger zu finden und sich an ihm zu rächen. „Kill Bookson“ ist ein rasanter Thriller mit einer kräftigen Prise Komik und lief auf der Berlinale in der Sektion Berlinale Special.
Meine Bewertung: Gut

„Ghaath“ von Chhatrapal Ninawe
Der Debüt-Film des indischen Regisseurs Chhatrapal Ninawe in der Panorama-Sektion handelt von einem Polizisten namens Bhaskar, der in einem Dorf in Zentralindien versetzt wird, wo er mit einem korrupten System und einem brutalen Verbrecherboss konfrontiert wird. Er muss sich entscheiden, ob er sich an die Regeln hält oder für die Gerechtigkeit kämpft. Der Film wurde in der Sprache Marathi gedreht und hat bekannte indische Schauspieler*innen wie Jitendra Joshi, Milind Shinde, Janardan Kadam, Dhananjay Mandaokar und Suruchi Adarkar im Cast.
Meine Bewertung: Befriedigend

„Limbo“ von Ivan Sen
Der australische Wettbewerbs-Film handelt von einem abgehalfterten Polizeidetektiv namens Travis Hurley (gespielt von Simon Baker), der nach einem traumatischen Einsatz in Sydney in eine kleine Stadt im Outback versetzt wird. Dort soll er einen alten Mordfall neu aufrollen, der vor 20 Jahren geschehen ist. Das Opfer war eine junge Frau namens Charlotte, die in einem verlassenen Hotelzimmer erschossen wurde. Die Tatwaffe war eine Pistole, die zu einem lokalen Gangsterboss namens Mick gehörte. Mick wurde damals verhaftet, aber mangels Beweisen freigesprochen. Travis Hurley beginnt, die alten Akten zu durchforsten und befragt die Zeugen und Verdächtigen von damals. Er stößt dabei auf eine Reihe von Lügen, Vertuschungen und Korruption, die den ganzen Ort durchziehen.
Meine Bewertung: Sehr gut

„Propriedade“ von Daniel Bandeira
Teresa ist eine reiche Frau, die in einem luxuriösen Stadthaus in Recife lebt. Sie hat eine traumatische Vergangenheit, denn sie wurde vor Jahren von einem bewaffneten Mann als Geisel genommen. Seitdem leidet sie unter Angstzuständen und Isolation. Eines Tages muss sie zu ihrem Landgut fahren, um sich um einige Angelegenheiten zu kümmern. Auf dem Landgut angekommen wird sie von einer Gruppe revoltierender Landarbeiter*innen angegriffen. Teresa kann in ihr Auto flüchten und muss dort um ihr Leben kämpfen. Der brasilianische Beitrag in der Panorama-Sektion „Propriedade“ erzählt mit dieser Crime Story von den scharfen Klassengegensätzen in der brasilianischen Gesellschaft. Der Film zeigt, wie die Unterdrückten täglich um ihr Überleben kämpfen und wie die Privilegierten ihre Macht missbrauchen, um ihre Interessen zu schützen.
Meine Bewertung: Gut

„Art College 1994“ von Liu Jian
Der chinesische Wettbewerbs-Beitrag handelt von Kunststudenten in China in den frühen 1990er-Jahren. Der Film zeigt die Herausforderungen und Konflikte, die die Studenten an der Chinesischen Südlichen Kunstakademie erleben, zwischen Tradition und Moderne, zwischen Liebe und Freundschaft, zwischen Kunst und Politik. Der Film ist von der Jugend des Regisseurs Liu Jian inspiriert und zeichnet ein nostalgisches und humorvolles Porträt einer Generation, die sich in einer Zeit des Wandels befindet.
Meine Bewertung: Mangelhaft

„Sage-femmes“ von Léa Fehner
In der Sektion Panorama lief auch dieses beeindruckende Werk über den Beruf der Hebamme in Frankreich. Der Film begleitet Sofia und Louise, zwei junge Hebammen, die in einem überlasteten Krankenhaus arbeiten. Sie müssen sich mit den Freuden und Schmerzen der Geburt, den Konflikten mit den Ärzten, den bürokratischen Hürden und den emotionalen Belastungen auseinandersetzen. Der Film zeigt die Realität der Geburtshilfe in einem maroden Gesundheitssystem und die Leidenschaft und das Engagement der Hebammen.
Meine Bewertung: Gut

„Bis ans Ende der Nacht“ von Christoph Hochhäusler
Der deutsche Wettbewerbs-Beitrag erzählt die Geschichte von Robert, einem verdeckten Ermittler, der sich als Partner der Transfrau Leni ausgibt, um einen Großdealer zu überführen. Robert, der schwul ist, hat widersprüchliche Gefühle für Leni, die ihn sowohl anzieht als auch abstößt. Leni ist ebenfalls von Robert abhängig, da sie von ihm beschützt wird. Die Liebesgeschichte wird zur Tortur, als der Dealer Verdacht schöpft und die beiden in Lebensgefahr bringt. Der Film spielt in einem schillernden Zwischenreich zwischen echten Gefühlen und behaupteten Biographien, zwischen Thriller und Melodram, zwischen Krimi und Liebesgeschichte – und verirrt sich darin. „Bis ans Ende der Nacht“ hätte mit seinem Setting ein großer Film Noir werden können, wird es aber nicht, weil er belanglos dahin plätschert.
Meine Bewertung: Ausreichend

„Green Night“ von Han Shuai
Das hongkong-chinesische Werk aus der Panorama-Sektion spielt in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Der Film erzählt die Geschichte zweier junger Frauen: die chinesische Migrantin Jin Xia arbeitet als Sicherheitskontrolleurin am Flughafen und lernt dort eine grünhaarige Drogenschmugglerin kennen. Die beiden Frauen finden emotional zueinander und versuchen zusammen aus ihrem von Prostitution und Drogenhandel geprägten Umfeld auszubrechen. Eines Tages wird Jin Xia von einem Freier brutal misshandelt und schwört Rache. Sie schließt sich einer Gang an, die gegen die Menschenhändler kämpft, die sie ausbeuten. Ihre grünhaarige Freundin folgt ihr, um sie zu beschützen, aber die beiden geraten immer tiefer in einen blutigen Konflikt.
Meine Bewertung: Gut

„The Adults“ von Dustin Guy Defa
Dieser us-amerikanische Film aus der Sektion Encounters erzählt eine humorvoll-nachdenkliche Geschichte dreier Geschwister. Eric, ein erfolgloser Schriftsteller und notorischer Spieler, kehrt nach Jahren in seine Heimatstadt zurück, um seine Mutter zu besuchen, die im Sterben liegt. Er trifft auf seine beiden Schwestern, die Lehrerin und Mutter Lara sowie die Künstlerin und politische Aktivistin Anna. Die drei Geschwister haben sich auseinandergelebt und müssen nun versuchen, ihre alten Konflikte zu überwinden und sich gegenseitig zu unterstützen. Dabei kommen auch einige Geheimnisse ans Licht, die ihre Beziehungen auf die Probe stellen.
Meine Bewertung: Befriedigend

„Guess Who’s Coming to Dinner“ von Stanley Kramer
Der us-amerikanische Film-Klassiker aus dem Jahr 1967 erzählt von einem familiären Konflikt, der entsteht als in einer weißen, wohlhabenden und eigentlich liberal-gesinnten Familie die Tochter des Hauses ihren Verlobten den Eltern vorstellt. Der Verlobte der Tochter ist Schwarz. Das löst bei den Eltern Bestürzung aus, denn trotz aller zur Schau gestellten Liberalität mit einem schwarzen Schwiegersohn können sie sich nicht anfreunden. Als dann das junge Paar die Eltern um ihre Zustimmung zu einer Hochzeit bittet, entsteht Handlungsdruck. Die Eltern müssen eine Entscheidung treffen. Eine antirassistische Romcom, die aus heutiger Sicht fragwürdig daherkommt, weil die weiße Seelenpein im Mittelpunkt der Handlung steht. Für 1967 ist dieser mit den damaligen Hollywood-Stars (Spencer Tracy, Katherine Hepburn, Sidney Poitier) besetzte Film in den rassistischen USA aber ein wichtiges Werk. Was für alle Kunstwerke gilt, soll auch für diesen Film gelten, er muss aus seiner Zeit heraus verstanden werden.
Meine Bewertung: Gut

Imagefilm über die Berlinale 2023. (Eingebettetes YouTube-Video)

Siehe auch:
Die neue Berlinale
Die zehn Gebote der Berlinale
Wann schläft Knut Elstermann?


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