Wes Anderson auf dem Westerwald

Der Film „Was man von hier aus sehen kann“ von Aron Lehmann

Szene aus dem Film 'Was man von hier aus sehen kann'

Szene aus dem Film „Was man von hier aus sehen kann“.
(© Studiocanal GmbH / Walter Wehner)

Zu Beginn nimmt der Film sich ganz viel Zeit ausführlich ein Ensemble an skurillen und wundersamen Menschen in einem Westerwälder Dorf vorzustellen – durch eine Erzählerin aus dem Off, die aber auch eine Figur des Ensembles ist.

Die Erzählerin ist Luisa, eine junge Frau, von der eine besondere Wirkung ausgeht. Immer wenn sie gegenüber einem anderen Menschen unaufrichtig ist, fallen in ihrer unmittelbaren Nähe Dinge zu Boden. Auch mit ihrer Großmutter Selma verhält es sich sonderbar, sie träumt gelegentlich von Okapis. Und immer wenn das passiert, stirbt am nächsten Tag jemand in dem kleinen Dorf. Heimlich verehrt und geliebt wird Selma vom Optiker, der keinen Namen hat, nur „der Optiker“ genannt wird. Die Mutter Astrid liebt auch heimlich, nämlich den Eisdealer Alberto. Luisa hat ihre große Liebe hinter sich, warum das so ist, wird bis zur Mitte des Film in Rückblenden erzählt.

Dann ist da noch Palm, ein gewalttätiger Säufer-Saulus, der später zu einem freundlich-frommen Paulus wird. Dazu kommen noch der Buchhändler, die abergläubische Elsbeth, die wandermeditierenden Mönche und die schlechtgelaunte Marlies. Alle haben irgendwie einen kleinen bis mittleren Hau, aber einen sympathischen und komischen Hau. Es ist eine sonderliche Welt in diesem kleinen Dorf auf dem Westerwald – eine Welt wie sie uns im Kino so sonst nur der große Wes Anderson zeigt („Grand Budapest Hotel“, „The French Dispatch“). Der Regisseur dieses Films, Aron Lehman, ist so eindeutig von der Kunst des Wes Anderson geprägt, dass man sich auch hier mit großer Freude auf diese merkwürdigen Figuren einlässt.

Aron Lehmann erzählt von den Schwächen seiner Menschen im Film mit einem liebevollen Blick auf sie und verzichtet dabei auf eine Psychologisierung seiner Figuren. In seiner ersten Hälfte verharrt der Film vielleicht etwas zu sehr in der Darstellung der Schrullen seiner Protagonisten und droht sich darin zu verlieren, ehe sich dann in der zweiten Hälfte doch zwei bewegende Handlungen herausschälen. Es sind zwei Liebesgeschichten, die mit einer großen Menge Poesie erzählt werden und dadurch auch den verhärtesten Zuschauer berühren dürften.

Die visuellen Darstellungen der großen Gefühle in den beiden Geschichten sind sehr originell und lassen im Kino die Tränen fließen. Sind es Wein- oder Lachtränen? Irgendetwas dawischen, aber ganz viel davon. Das Ganze mag etwas rührselig erzählt sein, gleitet aber nie in den Kitsch ab. Man kann schlechter ins neue Filmjahr starten als mit diesem Film.

„Was man von hier aus sehen kann“ (Deutschland 2022) läuft seit 29.12.2022 in den deutschen Programmkinos.

Trailer von „Was man von hier aus sehen kann“.
(Eingebettetes YouTube-Video)


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